Laufvirus besiegt Hantavirus
Am Abend zu laufen, um den Kopf frei zu bekommen, hatte ich so mit 40 Jahren wieder begonnen. Bald danach sprach mich ein Bekannter auf den 1. Einstein-Marathon in Ulm an, der kurz bevorstand. Ob ich den mit ihm laufen wolle, fragte er. Später hat sich rausgestellt, dass das nur ein Scherz war. Aber zugeben wollte das keiner von uns beiden. Und so haben wir uns gemeinsam durch unseren ersten Marathon gequält mit einer Zielzeit irgendwo in der Nähe von 4:30 h. Die letzten 10 km begleitete uns der Gedanke: „Nie wieder!“, fünf Minuten nach dem Ziel schon die Frage: „Wann machen wir den nächsten?“
Ein Marathonfan war geboren. Die ersten Jahre lief ich unter dem Motto „Die 4 h müssen fallen!“ zum 50. Geburtstag bekam ich von meiner Frau fünf Tage New-York samt Marathon geschenkt. Der Traum schlechthin! Mit 52 Jahren dann mein bisher bester Marathon mit 3:34 h. Kurz danach habe ich mir dann leider eine schwere Krankheit eingefangen, den Hantavirus in der ernsteren Variante mit Nieren- und Leberversagen. Nach einigen schlimmen Wochen waren mein Arzt und ich froh, dass ich überlebt hatte. Und ein paar Wochen nachdem ich das Bett verlassen hatte, konnte ich zum ersten Mal wieder 400 m am Stück gehen und war glücklich. Aber noch einmal 42 km am Stück laufen? Das schien so unendlich weit weg. Eine Stadionrunde, zwei. Ein halbes Jahr später war ich wieder bei 7 km in 40 Minuten und hatte mich zu meinem ersten Laufcamp angemeldet: 10 Tage Höhentraining in Livigno.
Was für eine Erleuchtung! Ich hatte vorher noch nie was von Dehnen, Stabi-Übungen, Tempotraining oder Lauf-ABC gehört, noch nie gemeinsam mit anderen trainiert, auch noch nie so viel Spaß bei gemeinsamen Mahlzeiten mit Leuten gehabt, die den gleichen Spleen haben wie ich. Nach den ersten Stabi-Trainingseinheiten mit Bianca und Kerstin hielt sich der Spaß allerdings in Grenzen. Muskelkater an gefühlt tausend Stellen, an denen ich vorher gar nicht wusste, dass man Muskeln haben kann. Und als Hausaufgabe die Übung „Zähneputzen auf einem Bein, ohne umzufallen“. Nach 10 Tagen tollem Laufurlaub und etlichen Umfallern mit Zahnfleischbluten ging auch das. Aber vor allem hatte ich viele nette Leute kennengelernt und neuen Mut geschöpft, mich wieder an die langen Strecken zu wagen. Inzwischen habe ich drei weitere Marathonläufe gefinisht, mich mit einem persönlichen Trainingsplan von Bianca wieder an die 3:39 h herangearbeitet und beim Remstal-Marathon 2014 und 2016 zwei Spendenläufe für unser Jugendhaus-Projekt organisiert, bei denen jeweils 30 Läuferinnen und Läufer für uns unterwegs waren. Jetzt freue ich mich aufs 3. Laufcamp in Lanzarote und mein neues Ziel, vor meinem 60. die 3:30 h zu knacken.